Ein Interview mit Bettina*, die während des Schuljahrs 2012/13 als Au-pair in Paris gearbeitet hat und über den Verein für Internationale Jugendarbeit vermittelt wurde. Sie schildert hier ihre Eindrücke und was sie alles erlebt hat.

Wie oder wodurch hast du die Adresse des vij gefunden?
Ich habe mich im Internet informiert und bin so über die Internetseite der Diakonie auf den vij aufmerksam geworden.

Was war ausschlaggebend dafür, dass du dich für unseren Verein entschieden hast?
Für mich war vor allem die Präsenz vor Ort, die nicht-kommerzielle Ausrichtung und die Angebote vor Ort wichtige Kriterien.

Arbeit in der Familie

Hast du im Laufe des Jahres deine Au-Pair-Familie gewechselt? Wenn ja, was waren die Gründe dafür?
Nein.

Aus welchen Aufgaben bestand deine Arbeit in der Familie?
Ich habe die Kindern hauptsächlich zur Schule beziehungsweise Krippe gebracht, mich um das Mittag- und Abendessen gekümmert und nach Krippenschluss auf das Baby aufgepasst. Mittwochs war ich dafür verantwortlich die Kleine zum Tennis und zum Musikunterricht zu begleiten und sie von dort wieder abzuholen. Ab und zu kam noch das Aufpassen auf die Kinder am Abend und am Wochenende hinzu.

Stand dabei die Hausarbeit oder die Kinderbetreuung im Vordergrund?
Ganz eindeutig die Kinderbetreuung. Die Hausarbeit beschränkte sich auf Spülmaschine ausräumen, das monatliche Bettwäsche wechseln und ab und zu die Küche fegen.

Wurde die vorgeschriebene Arbeitsstundenzahl (max. 30 Stunden + Babysitting) und alle übrigen Bestimmungen (Verpflegung, Monatskarte, Urlaub...) von der Familie eingehalten?
Wenn nicht, warum; bzw. wie wurden „Überstunden" von der Familie ausgeglichen?
Es wurden alle Bestimmungen eingehalten, bis auf die Tatsache, dass ich sicherlich ab und zu etwas mehr als 30 Stunden gearbeitet habe. Dadurch, dass ich aber auch während meiner Arbeitszeit sehr viel Freizeit hatte, dadurch, dass das Baby teilweise drei Stunden am Stück geschlafen hat, war das für mich in Ordnung.

Musstest du am Wochenende arbeiten?
Nein, nur ab und zu abends fürs Babysitten und in Ausnahmefällen, in denen ich noch zusätzlich bezahlt wurde, falls es tagsüber war.

Musstest du Arbeiten verrichten, die dich belasteten?
Nein.

Leben mit und in der Familie

Hattest du Eingewöhnungsschwierigkeiten? Wenn ja, welche ?
Nein. Hauptsächlich die Essgewohnheiten der Familie waren sehr ungewohnt, aber ansonsten hat mich die Familie sehr gut aufgenommen und ich bin mit allem zu Recht gekommen.

Hat dir deine Familie in der Anfangszeit geholfen?
Ja. Wir haben uns zusammen um den Pass Navigo, Konto, Handy etc. gekümmert und falls ich Fragen und Probleme hatte konnte ich das immer offen ansprechen.

Wie war dein Verhältnis zur Familie bzw. wie hat es sich entwickelt? Hast du am Familienleben teilgenommen?
Mein Verhältnis zur Familie ist sehr gut. Ich war oft noch länger dort, um abends zu skypen und konnte mich auch außerhalb meiner Arbeitszeiten dort aufhalten, ohne mich mit den Kindern zu beschäftigen. Dadurch, dass ich beispielsweise in den Ferien mit zur Großmutter gefahren bin oder Sonntagabends auch mal mit der Familie einen Film anschaute, war ich auf jeden Fall Teil der Familie. Allerdings in Maßen, da der Vater beispielsweise immer spät nach Hause kam und ich deswegen auch abends nicht mit den Eltern, sondern nur mit den Kindern gegessen habe.

Hat dir die Familie beim Erlernen der Sprache geholfen?
Ja. Die Kleine hat besonders am Anfang regelmäßig alle Wörter erklärt, die ich nicht kannte und vieles für mich wiederholt oder im Internet nachgeschaut.

Wie hast du gewohnt (in / außerhalb der Familie) und warst du zufrieden damit? Hast du dich in deinem Zimmer wohl gefühlt? War die Ausstattung in Ordnung?
Ich habe im selben Gebäude wie die Familie gewohnt, welche im in der zweiten Etage ein Appartement hat. Mein Zimmer war sehr klein, aber ausreichend für eine Person. Auch die Ausstattung war in Ordnung: Ein kleiner Schrank, eine kleine Kommode, eine kleine Küchenzeile, eine momentan leider nicht mehr intakte Mikrowelle und sogar eine kleine Badewanne. Die Toilette, die ich mit einem Nachbarn teile, befindet sich auf dem Flur.

Freizeitgestaltung

Welche Sprachschule hast du besucht? Warst du zufrieden (Preis, Niveau, Lehrer, Prüfungen etc.)?
Die Sprachschule hieß France Langue und sie ist zwar nicht allzu günstig, aber ich war besonders mit den Lehrern und dem Niveau sehr zufrieden.

Hast du außer den Sprachkursen noch andere Kurse in deiner Freizeit belegt?
Ich habe im Rahmen der Sprachschule neben den grundlegenden Grammatikkursen zusätzlich Kurse in französischer Literatur mit integrierten Besuchen von Sehenswürdigkeiten in Paris und in Kunstgeschichte belegt. Sonstige Kurse, insbesondere im Sport, habe ich leider nicht besucht, weil sie zu teuer waren.

Inwieweit hast du von dem vielfältigen Kulturangebot in Paris profitiert?
Ich habe sehr vom Angebot profitiert! Besonders die Möglichkeit viele Museen kostenlos zu besuchen habe ich wahrgenommen und sicherlich über zwanzig Museen in meinem Auslandsjahr besucht. Hinzu kommen natürlich solche außergewöhnlichen Spektakel wie das Weinfest in Montmartre, das chinesische Neujahr und Ausflüge nach Versailles oder zum Monethaus.

Fiel es dir leicht, Kontakt zu anderen Pariser Jugendlichen zu knüpfen?
Beim Feiern gehen lernt man leicht und schnell Franzosen kennen, allerdings selten auf der freundschaftlichen Ebene, wie man sie sich wünscht. Hätte ich die Möglichkeit gehabt günstig Sport zu machen, wie beispielsweise einige meiner Freundinnen in Vororten, wäre der Kontakt sicherlich leichter zustande gekommen. Die Freundinnen, die ich hier gefunden habe, sind deswegen überwiegend deutsch.

Erfahrungen und Eindrücke

Paris - silhouette urbaine

Was waren die Gründe für deinen Auslandsaufenthalt? Haben sich deine Erwartungen erfüllt?
Mein primärer Grund war auf jeden Fall die Stadt Paris zu erleben und natürlich die Sprache noch intensiver zu lernen. Außerdem war ich mir bezüglich meines Studiums noch nicht sicher und so entschied ich mir für ein Auslandsjahr.
Meine Erwartungen haben sich auf jeden Fall erfüllt, außer, dass ich etwas von der französischen Küche enttäuscht wurde. Auch den Kontakt zu Franzosen hatte ich mir leichter vorgestellt, aber ansonsten wurden meine Erwartungen überwiegend eher übertroffen, insbesondere was die Arbeitszeiten und die unglaublich vielen Freizeitmöglichkeiten angeht.

Wie hast du dir Paris vorher vorgestellt, warum hast du dich für Paris entschieden? Hast du jetzt ein anderes Bild?
Mein Bild von Paris deckt sich ungefähr mit dem, das ich im Vorhinein von der Stadt hatte: Einerseits groß, stressig und natürlich die große Schere zwischen arm und reich, andererseits aber auch diese wunderschöne Architektur an jeder Ecke, die Mobilität durch die Metro und die zahllosen Kultur- und Freizeitangebote. Besonders diese Vielfalt war auch ein Grund, weswegen ich mich für Paris entschieden habe. Ich bin immer wieder begeistert wie viel Neues man hier entdecken kann. Ein weiterer Grund ist die schnelle Anbindung nach Deutschland, sodass ich mehrere Male nach Hause gefahren bin und auch regelmäßig Besuch bekommen habe.

Wäre im Rückblick ein sofortiger Studienbeginn besser gewesen oder würdest du dich nochmals für ein Jahr als Au-Pair entscheiden?
Die Entscheidung nach Paris als Au-Pair zu gehen war auf jeden Fall die Richtige! Ein weiteres Au-Pair Jahr würde ich allerdings nicht noch einmal beginnen, ich möchte jetzt auf jeden Fall studieren.

Haben sich einige deiner Einstellungen (z.B. das Verhältnis zu Familie und Freunden zu Hause etc.) und Zukunftspläne durch deinen Au-Pair-Aufenthalt geändert?
Durch die Distanz merkt man natürlich wie wichtig einem Familie und Freunde zu Hause sind, andererseits geht aber auch schnell der Kontakt zu einigen vermeintlichen Freunden verloren, sodass ich nun das Verhältnis zu meiner Familie in Deutschland und auch zu vielen guten Freunden noch mehr wertschätze als zuvor. Meine Zukunftspläne haben sich nicht geändert, sind aber konkreter geworden, weil ich durch meine Freizeit die Möglichkeit hatte mich noch weiter zu informieren.

Wie und wo werden dir deine Sprachkenntnisse nützlich sein? Was wirst du nach deinem Au-pair Aufenthalt machen?
Ich werde voraussichtlich Medienmanagement studieren. Dort werden meine Französischkenntnisse vermutlich erstmal nicht mit einfließen, aber grundsätzlich interessiert mich auch die internationale Ausrichtung beispielweise auch nach Frankreich, sodass sie sicherlich nochmal zum Einsatz kommen werden.

Welche positiven und negativen Erfahrungen hast du in deiner Au-Pair- Zeit gemacht?
Ich habe viele neue Leute kennengelernt, viel gesehen und erlebt und Paris wirklich voll und ganz ausgekostet, sodass eigentlich das komplette Jahr eine riesengroße positive Erfahrung ist. Negative Erfahrungen gab es natürlich auch, allerdings sind es nicht viele. Grundsätzlich stört mich die etwas zu spontane und gestresste Planung der Franzosen, die ab und zu zur Folge hatte, dass ich mich anpassen musste und meine Planungen nach hinten gestellt wurden. Außerdem finde ich die Erziehung hier teilweise etwas fragwürdig. Ein Klaps auf den Hintern war in meiner Gastfamilie nicht ungewöhnlich und auch die Leistung in der Schule steht in der Familie an Nummer eins. Das war für mich keine positive Erfahrung, war aber immer Teil des Alltags und Ausschlaggeber für zahlreiche Streitigkeiten in der Familie.

Hat dich die Zeit hier verändert? Was hat dich beeinflusst? Hast du neue Gewohnheiten? Was nimmst du mit nach Hause?
Das Jahr hat mich auf jeden Fall im positiven Sinne verändert. Ich kann mittlerweile kochen, bin noch selbständiger geworden und insbesondere durch die eben genannten negativen Erfahrungen wesentlich spontaner und flexibler geworden. Außerdem schätzt man noch mehr das, was einem hier fehlt, gerade dadurch, dass man hier beispielsweise mitbekommt wie sich eine französische Familie untereinander verhält. Aber auch Dinge, wie das heimische Essen, die Restaurantpreise in Deutschland oder ein ausgiebiges Frühstück erscheinen auf einmal viel besser als vorher.
Meine Gewohnheiten sind überwiegend die gleichen geblieben, außer, dass ich nun überwiegend Leitungswasser trinke.

Willst du den Kontakt zu deiner Gastfamilie halten?
Ich möchte den Kontakt sehr gerne halten und kann mir gut vorstellen das nachfolgende Au-Pair zu besuchen, wie es auch meine Vorgängerin gemacht hat, um dann bei der Familie vorbeizuschauen.

Welche Vorschläge und Anregungen für die Gestaltung von Au-Pair-Aufenthalten kannst du uns geben? Was hat dir an unserer Organisation gut gefallen und was weniger? Auf was wärst du gerne von uns besser vorbereitet worden?
Es gibt so viel in Paris zu entdecken, dass man auf jeden Fall genug Möglichkeiten hat seinen Aufenthalt hier schön zu gestalten. Zwei praktische Tipps die ich aber jedem Au- Pair empfehlen würde: 1. Die 10€ Karten die man ab 11:30 Uhr des Vorstellungstages für die sechste Kategorie in der Opera Garnier kaufen kann und 2. Die Donnerstagsabendvorstellungen ab 20:15 Uhr für 3,50€ im Kino Saint- Lazare Pasquier.
Am vij hat mir vor allem die Unterstützung vor Ort gefallen. Sei es bei konkreten Fragen oder Problemen, oder auch durch das Angebot von Ausflügen.
Besonders die Au- Pair- Treffen haben mir sehr gut gefallen und ich war regelmäßiger Gast in der Rue Blanche. Die Wahl des vij war auf jeden Fall die richtige Entscheidung und ich möchte mich an dieser Stelle nochmal für die tolle Vermittlung bedanken!! Es hat wirklich alles super geklappt und ich wurde auch vor Beginn in Bremen sehr gut beraten und vorbereitet, sodass ich mit den richtigen Einstellungen und Erwartungen hergekommen bin und ein wirklich wunderschönes Au-Pair-Jahr hier verbringen konnte.

Wie würdest du die „Pariser" charakterisieren (in Bezug auf Wohn- und Esskultur, Erziehung, soziale Beziehungen in Nachbarschaft, Arbeit..., Verhältnis zur Umwelt, Geschichte, Ausländern etc.)?
Die Pariser mögen Paris nicht, sind immer gestresst und würden am liebsten mit der Familie ruhig auf dem Land wohnen. Ich hatte das Gefühl, dass auch aus diesem Grund der Freundeskreis sehr eng war und sich die freizeitlichen Aktivitäten auf Einladungen zu Abendessen und Theater beschränkten und die Möglichkeiten, die Paris bietet auf jeden Fall nicht ausgeschöpft werden. Abgesehen von gemeinsamen Abendessen legte meine Familie nicht allzu viel Wert auf gesunde Küche, sodass mittags immer eher Reis, Nudeln oder Fertigkartoffelpüree gegessen wurde. Ein Nachtisch ist Pflicht, auch wenn die Mahlzeit nur klein ausfällt. Bezüglich der Arbeit und der Schule ist mir leider negativ aufgefallen wie extrem groß der Leistungsdruck hier ist. Alle drei Kinder lernen viel und regelmäßig und haben oft geweint, weil die Belastung so hoch war. In der Erziehung ist Disziplin und Leistung auf jeden Fall ein wichtiges Thema, aber auch die Partizipation in der Kirche ist in meiner Gastfamilie selbstverständlich. Umwelt, Geschichte beziehungsweise Ausländer waren hingegen weniger ein Thema, was sich beispielsweise auch im Kühlschrank erkennen ließ, wo man eher Eier aus Käfighaltung und abgepacktes Fleisch fand. Die Familie ist aber durchaus politikinteressiert und betont immer wieder wie wichtig es sei Englisch und Spanisch zu können.

Kannst du "Au-Pair" weiter empfehlen? Wenn nicht, warum ?
Ich persönlich kann es weiterempfehlen, besonders in einer Stadt wie Paris. Die Vorzüge in der Familie sind im Verhältnis zur Arbeit groß, da man nicht viel und besonders nicht schwer arbeitet. Man hat sehr viel Freizeit und kann in einer großen Stadt wie Paris folglich die Zeit nutzen und alles entdecken. Für mich war besonders gen Ende aber die viele Freizeit ein Grund, weswegen ich mich wieder auf zu Hause gefreut habe, da mir das Lernen wirklich gefehlt hat.

Wird die Au-Pair-Idee deiner Meinung nach auch in Zukunft attraktiv für Jugendliche bleiben?
Ich glaube sie wird attraktiv bleiben und zwar aus den Gründen die ich eben genannt habe. Die Welt wird immer internationaler und ein Auslandsaufenthalt ist eine tolle Möglichkeit eine andere Kultur kennenzulernen.

Während deines Aufenthalts hattest du viel Zeit, um Paris richtig kennenzulernen. Es wäre toll, wenn du auf einem Extrablatt alle Adressen von interessanten Plätzen, Cafés, Boîtes, Theatern, Geschäften etc. aufzuschreiben, einfach alle Orte, die nicht jedem bekannt sind, die du aber weiterempfehlenswert findest. Mit diesen Tipps werden wir das Au-Pair-ABC erweitern und den nächsten Au-Pairs den Einstieg erleichtern.
Vielen Dank für deine Mithilfe !

*Name geändert!

Clubs

Showcase (unter der Prachtbrücke Alexandre), Port des Champs Elysées, 75008 Paris
Duplex (unterm Arc de triomphe), 2Bis Avenue Foch, 75116 Paris
River's King (auf der Seine), Voie Georges Pompidou, 75016 Paris
Zig-Zag, 32 Rue Marbeuf, 75008 Paris
Social Club, 142 Rue Montmartre, 75002 Paris

Bars und Restaurants

3 pieces cuisine, 25 Rue de Cheroy, 75017 Paris
Le Breizh, 109 Rue Vieille du Temple, 75003 Paris
Café des deux moulins (Restaurant aus dem Amelie- Film), 15 Rue Lepic, 75018 Paris
Le rendez-vous des amies, 23 rue Gabrielle, 75018 Paris

Sonstiges

Schwimmbäder in Paris für 1,70€ pro Besuch
Cinema Saint-Lazare Pasquier, 44 Rue Pasquier, 75008 Paris
Aussichtsplattform des LaFayette im 7. Stock mit einem tollen, kostenlosen Blick über Paris